Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile

Intro

Superorganismus Bien - Wie viel Insekt bleibt von der Biene übrig?

Biene ein Insekt

Natür­lich ist die Bie­ne ein Insekt. Sie hat sechs Bei­ne, ein Chi­tin Exo­ske­lett, ist wech­sel­warm, hat einen drei­ge­teil­ten Kör­per (Kopf, Brust und Hin­ter­leib) und zwei Füh­ler, sie hat Tra­cheen, ein Röh­ren­sys­tem, mit dem sie atmet, sie hat so genann­te Facet­ten- oder Kom­plex­au­gen, die aus vie­len klei­nen Ein­zel­au­gen bestehen, die zu einem gro­ßen Auge zusam­men­ge­setzt sind, und sie durch­läuft ver­schie­de­ne Sta­di­en vom Ei bis zum fer­ti­gen Insekt. Eigent­lich klar — es han­delt sich ein­deu­tig um ein Insekt.

Oder doch was anderes?

Aber wie sieht es aus, wenn wir nicht mehr die ein­zel­ne Bie­ne betrach­ten, son­dern das Bie­nen­volk (hier kurz Bien genannt). Was haben wir dann vor uns?

Die Aus­sa­ge von Aris­to­te­les “Das Gan­ze ist mehr als die Sum­me sei­ner Tei­le” wird oft ver­wen­det, um die Idee zu ver­mit­teln, dass die Gesamt­heit oder das Kol­lek­tiv von Ein­hei­ten oder Ele­men­ten mehr Eigen­schaf­ten oder Kom­ple­xi­tät auf­wei­sen kann als die ein­zel­nen Tei­le für sich.
Wenn wir die Bie­ne als Super­or­ga­nis­mus betrach­ten, sehen wir, dass ihre Funk­ti­ons­wei­se und ihre kol­lek­ti­ven Eigen­schaf­ten weit über die Sum­me der ein­zel­nen Bie­nen hinausgehen.

Der Bien kann sei­ne Tem­pe­ra­tur regu­lie­ren. Die Fähig­keit der Bie­nen, die Tem­pe­ra­tur ihres Bie­nen­stocks zu regu­lie­ren, indem sie ihn sowohl erwär­men als auch abküh­len, weist gewis­se Par­al­le­len zu den Eigen­schaf­ten von Säu­ge­tie­ren auf. Die­se Fähig­keit zur Ther­mo­re­gu­la­ti­on ist ein wich­ti­ges Merk­mal für die Auf­recht­erhal­tung eines sta­bi­len Kli­mas im Bie­nen­stock, das für das Wohl­be­fin­den und die Ent­wick­lung des Bie­nen­vol­kes von ent­schei­den­der Bedeu­tung ist.

Bie­nen „säu­gen“ ihren Nach­wuchs. Es ist rich­tig, dass die Bie­nen­lar­ven von den Arbeits­bie­nen gefüt­tert wer­den, die eine Sub­stanz namens “Gelée Roya­le” pro­du­zie­ren und ver­wen­den. Gelee Roya­le wird von den Man­di­bel­drü­sen jun­ger Arbeits­bie­nen abge­son­dert und dient sowohl den Lar­ven als auch der Köni­gin wäh­rend ihres gesam­ten Lebens als Nah­rung. Das Füt­tern der Lar­ven mit Gelee Roya­le hat gewis­se Ähn­lich­kei­ten mit dem Säu­gen von Säu­ge­tier­jun­gen durch ihre Müt­ter. Bei­de Metho­den die­nen dazu, die Jung­tie­re mit den für ihr Wachs­tum und ihre Ent­wick­lung not­wen­di­gen Nähr­stof­fen zu versorgen.

Wenn man die Bie­nen­kö­ni­gin als das weib­li­che Geschlechts­or­gan, die Droh­nen als das männ­li­che Geschlechts­or­gan und die Arbeits­bie­nen als das Ver­dau­ungs­or­gan des Bie­nen­staa­tes betrach­tet, sind das dann nicht noch wei­te­re Merk­ma­le von Säugetieren?

  • Bie­nen­kö­ni­gin als Fort­pflan­zungs­zen­trum: Wie bei vie­len Säu­ge­tie­ren ist die Bie­nen­kö­ni­gin das Fort­pflan­zungs­zen­trum des Bie­nen­staa­tes. Sie ist das ein­zi­ge geschlechts­rei­fe Bie­nen­weib­chen im Stock und für die Fort­pflan­zung durch Eiab­la­ge verantwortlich.

  • Droh­nen als männ­li­che Fort­pflan­zungs­or­ga­ne: Droh­nen sind die männ­li­chen Bie­nen, deren Haupt­funk­ti­on dar­in besteht, sich mit der Köni­gin zu paa­ren, um die Eier zu befruch­ten. Sie haben kei­nen Sta­chel und kön­nen kei­ne Nah­rung für den Stock sammeln.

  • Arbeits­bie­nen als Arbei­ter und Ver­dau­ungs­hel­fer: Die Arbeits­bie­nen sind weib­lich und machen den größ­ten Teil der Popu­la­ti­on im Bie­nen­stock aus. Sie sind für das Sam­meln von Nah­rung, den Bau von Waben, die Pfle­ge der Brut, die Ver­tei­di­gung des Bie­nen­stocks und ande­re Auf­ga­ben zustän­dig. Ihre Arbeit trägt wesent­lich zum Über­le­ben und Funk­tio­nie­ren des Bie­nen­staa­tes bei.

Wie ist die sozia­le Orga­ni­sa­ti­on der Bie­nen? Sowohl Bie­nen als auch vie­le Säu­ge­tie­re wie Wöl­fe oder Men­schen­af­fen leben in sozia­len Grup­pen. Inner­halb die­ser Grup­pen gibt es spe­zia­li­sier­te Rol­len und Auf­ga­ben, die von ver­schie­de­nen Mit­glie­dern über­nom­men wer­den. Eine Arbei­te­rin durch­läuft in ihrem Leben ver­schie­de­ne Rollen.

Kom­mu­ni­ka­ti­on im Bie­nen­volk: Bie­nen kom­mu­ni­zie­ren über kom­ple­xe Tanz­mus­ter, um ihren Art­ge­nos­sen Infor­ma­tio­nen über Nah­rungs­quel­len mit­zu­tei­len. Dar­über hin­aus ver­stän­di­gen sich Bie­nen auch über Gerü­che, Vibra­tio­nen und neu­er­dings auch über Licht­re­fle­xio­nen von den Flü­geln ande­rer Bie­nen. Dies ähnelt in gewis­ser Wei­se der Kom­mu­ni­ka­ti­on in Säu­ge­tier­grup­pen. Die Bie­ne ent­schei­det auch über ein Quo­rum, wel­ches Nest das Bes­te ist, wann geschwärmt wer­den soll usw.

Zusammenfassung

Wenn man die Bie­ne als Orga­nis­mus betrach­tet und die Bie­nen als Zel­len, die Bie­nen­kö­ni­gin als weib­li­ches und die Droh­nen als männ­li­ches Geschlechts­or­gan und die Arbeits­bie­nen als Ver­dau­ungs­or­gan, kann die Bie­ne die Tem­pe­ra­tur regu­lie­ren, die Brut wird mit Drü­sen­se­kre­ten gefüt­tert, es gibt eine eige­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on sowie sozia­le Inter­ak­tio­nen der Bie­ne. Wie viel Insekt bleibt von der Biene?

Betrach­tet man die Bie­ne als einen Super­or­ga­nis­mus, der aus einer Viel­zahl von Indi­vi­du­en besteht, die zusam­men­ar­bei­ten, um das Über­le­ben und die Fort­pflan­zung des Gesamt­or­ga­nis­mus zu sichern, dann bleibt vom Insekt, wie wir es tra­di­tio­nell betrach­ten, nicht mehr viel übrig. In die­ser Sicht­wei­se sind die ein­zel­nen Bie­nen gleich­wer­ti­ge Zel­len oder Bestand­tei­le die­ses Super­or­ga­nis­mus, der sich kaum noch von den Merk­ma­len eines Säu­ge­tiers unter­schei­det.

Zum Ende stelle ich mir noch zwei Fragen:

1. Frage: Ist dann die menschliche Zivilisation nicht auch ein Superorganismus?

Eini­ge Wis­sen­schaft­ler haben die mensch­li­che Zivi­li­sa­ti­on tat­säch­lich als eine Art Super­or­ga­nis­mus betrach­tet. Die­se Sicht­wei­se betrach­tet die Gesell­schaft als ein kom­ple­xes Sys­tem, in dem indi­vi­du­el­le Men­schen wie Zel­len oder Indi­vi­du­en inner­halb eines grö­ße­ren Orga­nis­mus funktionieren.

Ähn­lich wie bei Super­or­ga­nis­men in der Natur besteht die mensch­li­che Zivi­li­sa­ti­on aus einer Viel­zahl von Ein­hei­ten (Men­schen), die zusam­men­ar­bei­ten, um bestimm­te Funk­tio­nen zu erfül­len und gemein­sa­me Zie­le zu errei­chen. Dies umfasst die Orga­ni­sa­ti­on von Arbeits­tei­lung, Infra­struk­tur, Wirt­schafts­sys­te­men, Regie­rung und kul­tu­rel­len Insti­tu­tio­nen.
Eini­ge Merk­ma­le der mensch­li­chen Zivi­li­sa­ti­on, die sie als Super­or­ga­nis­mus cha­rak­te­ri­sie­ren könn­ten, sind:

  1. Koor­di­nier­te Arbeits­tei­lung: Men­schen spe­zia­li­sie­ren sich auf ver­schie­de­ne Beru­fe und Auf­ga­ben, um die Bedürf­nis­se der Gesell­schaft zu erfüllen.
  2. Kom­mu­ni­ka­ti­on und Infor­ma­ti­ons­aus­tausch: Die mensch­li­che Zivi­li­sa­ti­on ver­fügt über kom­ple­xe Sys­te­me der Kom­mu­ni­ka­ti­on und des Infor­ma­ti­ons­aus­tauschs, die es ermög­li­chen, Wis­sen und Ideen zu ver­brei­ten und kol­lek­ti­ve Ent­schei­dun­gen zu treffen.
  3. Infra­struk­tur und Res­sour­cen­nut­zung: Die Zivi­li­sa­ti­on orga­ni­siert sich, um Res­sour­cen effi­zi­ent zu nut­zen und Infra­struk­tu­ren wie Städ­te, Trans­port­net­ze und Ver­sor­gungs­sys­te­me aufzubauen.
  4. Gemein­sa­me Wer­te und Kul­tur: Die Zivi­li­sa­ti­on umfasst gemein­sa­me Wer­te, Nor­men und kul­tu­rel­le Prak­ti­ken, die das Ver­hal­ten der Mit­glie­der len­ken und die Inte­gra­ti­on und Zusam­men­ar­beit fördern.

Es ist wich­tig anzu­mer­ken, dass die Betrach­tung der mensch­li­chen Zivi­li­sa­ti­on als Super­or­ga­nis­mus ein meta­pho­ri­sches Kon­zept ist und nicht bedeu­tet, dass die Gesell­schaft tat­säch­lich, wie ein bio­lo­gi­scher Orga­nis­mus funk­tio­niert. Den­noch bie­tet die­se Per­spek­ti­ve inter­es­san­te Ein­bli­cke in die Struk­tur und das Ver­hal­ten kom­ple­xer sozia­ler Systeme.

2. Frage: Ist das Konzept des Superorganismus ein evolutionärer Schritt, der es einer Gruppe von Arten ermöglicht, eine höhere Darseinsebene/Bewusstseinsebene zu erreichen, als es die Natur für ihre Individuen allein vorsieht?

Könn­te es sich hier um ein bio­lo­gi­sches Natur­ge­setz han­deln? Hier höre ich jetzt mal auf und las­se die Fra­ge im Raum stehen.

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