Die Bedeutung von Bienenwachs
Bienenwachs (mhd., ahd. wahs = Gewebe [der Bienen]; lat. cera). Das Material des Wabenbaus ist ein Stoffwechselprodukt der Bienen und wird über körpereigene Wachsdrüsen (8 Stück) an der Unterseite der Bienen „herausgeschwitzt“. Frisch erzeugtes Wabenwachs ist weiß, später nimmt es die gelbe Farbe des gespeicherten Honigs oder der Pollen an. Wachs ist wasserunlöslich, löslich in heißen Fetten oder in ätherischen Ölen, der Schmelzpunkt liegt bei ca. 64°C. Gewonnen wird es durch Einschmelzen des bei der Honigernte anfallenden Wabenmaterials.
In diesem Artikel werde ich das Bienenwachs in die vier nachfolgenden Kategorien unterteilen:
- Kerzen als das Licht bei liturgischen Zeremonien
- Rohstoff für das Handwerk und in der Kunst
- Medizin und Kosmetik
- Monetarische Eigenschaft
Jeder dieser vier Bereiche definiert eine eigene herausragende, für sich stehende Bedeutungen des Wachses für den Menschen.
Kerzen für Licht bei liturgischen Zeremonien
In den Kirchen des Mittelalters durften nur Kerzen aus Bienenwachs verwendet werden, galt doch die Biene aufgrund der irrtümlichen Annahme, dass sie sich ungeschlechtlich fortpflanze, als marianisches Symbol der Jungfräulichkeit. Aufgrund des großen Bedarfs an Kerzen für die Liturgie entwickelten sich die Klöster zu Großabnehmern und Produzenten von Bienenwachs. Innerhalb der an kirchliche Einrichtungen abzuführenden Naturalabgaben nahm der Wachszins eine bedeutende Stellung ein. Zum Ende des 15. Jahrhunderts war der Verbrauch der Schlosskirche zu Wittenberg bei über 35750 Pfund Bienenwachs (Quelle: Buch “Die Honigbiene” von Armin Spürgin), demgegenüber standen jedoch auch ca. 900 Messen, die jährlich gelesen wurden.
Gott hat das Licht erschaffen und der Dunkelheit damit etwas entgegengesetzt. „Und Gott sprach: Es werde Licht! und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.“
1. Mose — Kapitel 1
Eine katholische Kirche ohne Kerzenlicht? Das ist für die meisten Gläubigen nicht vorstellbar. Selbst kirchenferne Menschen kennen den Brauch, gegen einen geringen Obolus vor einem Kreuz oder einem Marienbild eine Kerze zu entzünden. Dabei steht jedes Licht stellvertretend für ein Gebet, für das Anliegen eines Menschen. Es zeigt den anderen Gläubigen: Hier war jemand, der im Gebet Hilfe suchte. Die brennende Kerze ist Zeichen seines Gebets, über das gesprochene Wort hinaus.
Doch es geht nicht nur um Fürbittgebete: Viele Menschen entzünden auch eine Kerze, um zu danken, für eine gelungene Prüfung oder Genesung von einer Krankheit. Wiederum andere verehren so Gott, Maria oder einen anderen Heiligen.
Die Tradition, Kerzen zu entzünden, geht zurück auf vorchristliches Brauchtum, fand aber schnell Einzug in die kirchliche Liturgie. Die Bibel half bei der Begründung: Schon Jesus bezeichnete sich selbst als
„Licht der Welt“ Die Worte Ich bin das Licht der Welt stellen eine Bildrede Jesu dar.
siehe Johannes 8,12
Es gehört zu einer Reihe von sieben „Ich bin“-Worten Jesu, die im Evangelium nach Johannes überliefert sind. Ab dem siebten Jahrhundert sind etwa Lichterprozessionen zum Fest Mariä Lichtmess nachgewiesen.
Eine weitaus größere Bedeutung in der Liturgie spielt aber die Osterkerze. In der Osternacht wird sie mit dem Ruf „Lumen Christi“, „Licht Christi“ in die dunkle Kirche getragen. Im Licht der Osterkerze wird die Auferstehung Jesu, der Beginn des neuen Lebens, deutlich. Daher werden zu jedem Gottesdienst Kerzen entzündet, das ewige Licht brennt in katholischen Kirchen als Zeichen der Gegenwart Gottes. Die brennende Taufkerze zeigt, dass mit der Taufe der Täufling nun ein neues Leben beginnt. „Empfange das Licht Christi“, heißt es bei der Überreichung der Kerze.
Aus einem ähnlichen Grund entzünden gerade auch in diesen Tagen, rund um das Fest Allerheiligen, so viele Menschen Kerzen auf den Gräbern von Angehörigen und Freunden. Das Licht spendet Trost in der Dunkelheit des Novembers und zeigt, der Tote hat das irdische Leben hinter sich gelassen und ist nun bei Christus lebendig. Diesen Glauben und diese Hoffnung drücken die Christen eben auch durch das Entzünden von Kerzen aus.
Rohstoff für das Handwerk und die Kunst
Der zweite Bereich, der Bedeutung des Wachses, ist das Bienenwachs als Rohstoff für allerlei Handwerk und die Kunst. Nachfolgend ist eine eine Auflistung von Verwendungsmöglichkeiten in dem das Bienenwachs benutzt wurde:
Verschließen von Flaschen, Krügen und Fässern sowie zur Herstellung von Wachstafeln — die alten Griechen schrieben auf mit Wachs bestrichenen Holztafeln; Stoffe wurden mit Wachs wasserabweisend gemacht, Fäden, Schnüre, Seile und Leder mit Wachs imprägniert, Möbeloberflächen mit Wachs poliert; Votivgaben (Bilder, Tafeln, Skulpturen) wurden häufig aus Wachs gegossen, ebenso Siegel für Urkunden. In hölzernen Mühlengetrieben diente Bienenwachs als Schmiermittel. Bienenwachs wurde bereits im alten Ägypten verwendet. Die Ägypter dichteten damit Schiffe ab. Bereits 3000 v. Chr. wurde Wachs als Bindemittel zur Herstellung von Papyrus verwendet. Möbel und Figuren werden seit Jahrhunderten mit Bienenwachs behandelt. Die Römer versiegelten Wein- und Ölfässer mit Bienenwachs. Auch Äpfel und Birnen wurden früher mit einer Wachsschicht überzogen, um sie haltbarer zu machen.
In der Kunst und Metallurgie fand Wachs beim Ausschmelzverfahren (siehe Bronzeguss) Verwendung. Ebenfalls ist die Maltechnik Enkaustik seit den alten Ägyptern bekannt indem Farbpigment in Bienenwachs auf Oberflächen thermisch aufgetragen wird.
Die Liste ist nicht vollständig aber soll zeigen, dass das Bienenwachs ein unverzichtbarer Rohstoff in der Industrie war, bevor man mit Rohöl einen Ersatz gefunden hatte.
Medizin und Kosmetik
In der Medizin bei der Herstellung von Pflastern und Salben wurde Bienenwachs verwendet. Hippokrates von Kos, der berühmte Arzt aus der Antike, heilte mit Honig und Bienenwachs Wunden. Die Ägypter nahmen es für Einbalsamierungen und Mumifizierungen und kannten seinen Nutzen für Salben, Pomaden und Schminke.
Kurze Einordnung mit dem heutigen Wissen:
Bienenwachs enthält um die 300 verschiedene Substanzen– je nach Herkunft. Creme, Badezusätze, Seifen und sogar Lippenstifte verwenden Bienenwachs als Basis. Das natürliche Produkt eignet sich ideal zur Verwendung in solchen Pflegeprodukten, die direkt auf die Haut aufgetragen werden. Anders als chemische Grundstoffe, gilt natürliches Wachs als hautverträglich. Selbst sensible Menschen bekommen bei Bienenwachs selten Probleme mit Rötungen oder Reizungen. Eine weitere Anwendung sind Wärmepackungen aus Wachs, die aus der medizinischen Ecke stammen. Diese Wärmepackungen eignen sich beispielsweise für die Entspannung von Gelenken oder für die Behandlung weiterreichender Beschwerden, wie Entzündungen. Auch das Auflockern von Muskeln kann durch die Anwendung mit warmen Bienenwachs erfolgen. Etliche Sportler schwören auf diese gesunde und natürliche Methode der Entspannung.
Bienenwachs in Handcremes – die Schutzschicht für angegriffene Haut. Das Wachs der Bienen sorgt nicht nur bei Bonbons und anderen Süßigkeiten für eine Schutzschicht. Integriert in Handcremes und auf die trockene Haut aufgetragen, ergibt sich aus dieser besonderen Creme eine starke und schützende Schicht für angegriffene Hände. Besonders im Winter profitieren Menschen von Handcremes und Lotionen, die das natürliche Wachs der Bienen als Inhaltsstoff aufweisen.
Bienenwachs liefert wertvolles Vitamin A. Dass Vitamine lebensnotwendig sind, ist allgemein bekannt. Weniger bekannt dürfte das Wissen um die äußerliche Anwendung der Vitaminversorgung sein. Vitamin A ist bis zu einem bestimmten Maß in der Lage, schädliche UV-Strahlen abzuwehren, es hilft beim Zellaufbau und es ist bei der Regulation der Keratin- und Kollagenbildung beteiligt. Zudem ist Vitamin A ein wichtiger Baustein der Zellerneuerung. Vielleicht ist dir schon einmal aufgefallen, dass in fast allen Anti-Aging-Produkten Vitamin A enthalten ist? Dem Vitamin wird nachgesagt, der Hautalterung vorzubeugen. Es ist übrigens ein fettlösliches Vitamin, deswegen sollte sich eine Zufuhr tatsächlich nur auf die äußere Anwendung konzentrieren, innerlich solltest du es nicht einfach so nehmen, sondern nur in Absprache mit dem Arzt.
Bienenwachs enthält dieses für die Haut so wichtige Vitamin A. Damit bekommt deine Haut wertvollen Schutz, Feuchtigkeit und eine ausgewogene Nährstoffversorgung.
Bienenwachs als Wundheiler: Neben seinen hautfreundlichen Eigenschaften punktet Bienenwachs mit einer leicht antiseptischen und antibakteriellen Wirkung. Es ist kein medizinisches Produkt im eigentlichen Sinne, doch das Wachstum schädlicher Mikroorganismen wird gehemmt. Cremes oder Salben auf Grundlage von Bienenwachs werden beispielsweise gerne in der Kinderheilkunde eingesetzt, etwa bei Ekzemen oder bei bakteriellen Hautentzündungen.
Bienenwachs ist im Vergleich zu Öl etwas härter und vor allem hinterlässt es keinen fettigen Film. Das ist für das Wohlbefinden ein wichtiger Aspekt, denke an eine Windeldermitis. Nahezu jeder Säugling leidet hin und wieder an einem wunden Po, doch natürlich sollten sich keine Keime in der angegriffenen Haut festsetzen können.
Monetarische Eigenschaft
Diese Bedeutung des Bienenwaches wird oft vergessen oder nicht erwähnt, weil sie nicht bekannt ist bzw. heute nicht mehr diese Bedeutung hat. Ich halte diese Eigenschaft aber als eine wichtige, um zu verstehen, welche Bedeutung den Imkern der Vergangenheit (Zeidler) zukam. Wie schon unser Dichterfürst aus Weimar wusste:
Nach Golde drängt,
Am Golde hängt
Doch alles. Ach wir Armen!Quelle: Goethe, Faust. Der Tragödie erster Teil, 1808. Abend, Margarete mit sich allein
Kaufleute der Hanse brachten Bienenwachs von Nowgorod und Königsberg (Ostpreußen) nach Brügge, von wo aus es nach Paris und London weiterverkauft wurde. Der Import allein nach London soll Ende des 15. Jh. jährlich etwa 100 Tonnen betragen haben. In der Hanse konnte man seine Schulden und seine Steuerer mit Bienenwachs begleichen. Wer Bienenwachs hatte war liquide, sprich er konnte damit alles einkaufen (tauschen) was der Markt hergab. Somit hatte Wachs die Eigenschaft einer Währung bzw. Geldes. Vergleicht man, was wir heute unter einer Währung verstehen, schneidet das Bienenwachs dabei hervorragend ab.
Damit ein Produkt (Gut) die Funktionen einer Währung übernehmen kann, muss es vorher folgende Eigenschaften erfüllen.
1. Knappheit,
2. Haltbarkeit,
3. Teilbarkeit,
4. Transportfähigkeit,
5. Allgemeine Akzeptanz.
Kommt einen 6 Eigenschaft hinzu:
6. Speichert Wert über lange Zeit
spricht man nicht nur mehr von Währung, sondern von Geld. Gold und Silber wären Vertreter dieser Gattung.
Knappheit bedeutet, dass das Gut, was die Funktionen des Geldes übernimmt, begrenzt ist und nicht durch jeden beliebig vermehrbar ist. (Beispiel: Sand oder Steine erfüllen es nicht, besondere Steine, wie Diamanten erfüllen es schon.). Bienenwachs hat eine natürliche Knappheit da man nur eine begrenzte Menge jährlich herstellen kann.
Haltbarkeit bedeutet, dass das Gut auch nach Jahren noch seine ursprünglichen Eigenschaften hat und nicht veränderbar ist. (Beispiel: Tomaten oder andere verderbliche Ware erfüllen es nicht, Gold oder Silber schon.). Wachs kann Jahrhunderte überdauern und bei richtiger Lagerung wird es nicht verderben. Außer durch Feuer lässt es sich nur schwer vernichten.
Teilbarkeit bedeutet, dass das Gut trotz einer Teilbarkeit, seine ursprünglichen Eigenschaften nicht verliert. (Beispiel: Vieh erfüllt es nicht, Gold, Silber oder Diamanten schon.). Wachs lässt sich in jede Einheit und Form bringen, die man möchte.
Transportfähig (auch Fungibilität genannt) bedeutet, dass das Gut von einem zum anderen Ort, mit wenig Aufwand, bewegt werden kann. (Beispiel: Grundstücke oder Gebäude erfüllen es nicht, Vieh, Salz, Muscheln oder Gold schon.). Bienenwachs ist in Blöcken und Tafeln gut transportierbar und schwimmt sogar im Wasser.
Allgemeine Akzeptanz bedeutet, dass das Gut von allen Teilnehmern anerkannt ist und als Tauschobjekt Zustimmung findet. (Beispiel: Zigaretten haben heutzutage kaum eine Chance, direkt nach dem 2. Weltkrieg dagegen schon.) Bienenwachs war eines der bedeutendsten Handelsgüter des Altertums und des Mittelalters und wurde über Ländergrenzen allgemein geschätzt und akzeptiert
Speichert Wert über lange Zeit bedeutet, dass das Gut seine Kaufkraft über lange Zeit behält. Auch hier lässt sich klar sagen, dass Bienenwachs über Jahrtausende eine hohe Kaufkraft besaß und erst in den letzten 200 Jahren durch die Erfindung von künstlichen Wachsen preislich sank aber nie wertlos wurde.
Abschließende Bemerkung
Im Mittelalter waren Kerzen aus Bienenwachs etwas Besonderes und vor allem etwas außerordentlich Teures. Das Wachs kostete etwa das Zehnfache von Fleisch. Nur Fürstenhäuser, also der Hochadel, die Kirche und Klöster konnten sich eine solche Beleuchtung leisten. Sie waren sehr beliebt, weil sie ohne lästigen Qualm und mit einem angenehmen Geruch verbrannten.
Kirche, Zünfte und Gilden, aber auch Kaufleute sicherten sich so ihren Bedarf an Wachs und handelten damit in einer Weise, die wir uns heute kaum noch vorstellen können.
Mit Bienen verbindet man heute Honig oder die Bestäubung von Pflanzen — das Bienenwachs wird dabei meist vergessen. Meine Forschungen zeigen aber, dass für die Menschen in der Antike und im Mittelalter das Wachs das wichtigste Produkt der Biene war und nicht der Honig. Der ständig steigende Wachsbedarf im Mittelalter konnte durch die heimische Produktion allein nicht gedeckt werden, so dass große Mengen aus den waldreichen Ländern des Ostens, u.a. aus Russland, Böhmen, Mähren, Polen und Ungarn, importiert wurden.